Um 1565-70 schuf Sebastiano Filippi – genannt Bastianino – das großformatige wie ungewöhnliche Gemälde „Das Lebende Kreuz“ für die Klosterkirche Santa Caterina Martire im italienischen Ferrara. Erstmals nach über 100 Jahren ist das durch eine umfassende Restaurierung wiedergewonnene Altarbild nun im Rahmen einer fokussierten Sonderausstellung in der Gemäldegalerie für die Öffentlichkeit zugänglich. Es ist eines von nur zwei in Deutschland aufbewahrten Werken des Malers.
Bastianino als einer der wichtigsten Künstler in der Zeit des Herzogs Alfonso II d`Este
Bastianino („kleiner Sebastian“) war zusammen mit Bastarolo und Scarsellino einer der wichtigsten Künstler in der Zeit des Herzogs Alfonso II d`Este (1559-97). Er wirkte am Ausklang einer Epoche, in der Ferrara unter der Herrschaft der Familie d‘Este zu den wichtigsten kulturellen und politischen Zentren in Europa gehörte. Hier wurde er zwischen 1528 und 1532 als Sohn von Camillo Filippi geboren, einem Maler zweiten Ranges. Dieser war jedoch Kollege und Mitarbeiter einiger großer Meister wie etwa Dosso Dossi, Battista Dossi und Benvenuto Tisi, genannt Garofalo. Stilistisch pendelt Filippi junior zwischen der klassizistischen, aber auch phantasievollen Tradition seiner Heimat und dem Kolorit sowie der malerischen Freiheit der benachbarten Venezianer, insbesondere des späten Tizian. Er verstarb 1602 in Ferrara.
Ungewöhnliche Ikonographie
Das knapp drei Meter hohe Altarbild wurde um 1565-70 für die Konventskirche Santa Caterina Martire in Ferrara geschaffen. Die ikonografisch ungewöhnliche Darstellung des Kreuzes mit Armen an seinen Balkenenden zeigt eine Allegorie des Alten und Neuen Testaments mit vielen begleitenden Szenen. Sie beruht auf zwei Vorbildern, die Garofalo in Ferrara ausgeführt hatte: in einem Fresko im Refektorium der Kirche Sant`Andrea der Augustinerinnen und auf einem Leinwandgemälde für das Refektorium der Kirche San Bernardino.
Die Überlegenheit des Neuen Testaments verdeutlicht Ecclesia mit der Weltkugel als Zeichen ihrer umfassenden Herrschaft. Sie versinnbildlicht die römische Kirche und ist von den vier Symbolen der Evangelisten umgeben. Mit ihrer rechten Hand leitet sie das göttliche Opfer, Wasser und Blut, als roten Strahl aus Christi Brust hinab zu den Sakramenten der Taufe, Beichte und Eucharistie. Die Szene links daneben zeigt die Predigt des Heiligen Paulus auf dem Areopag. Sie ist als deutlicher Verweis auf den Universalismus der Kirche und deren Evangelisierungsziele zu verstehen. Als alte Frau mit bedeckten Augen erscheint die auf einem Esel reitende Synagoge, das Symbol des Alten Testaments. Sie wird von einer Lanze verletzt, die einer der sechs lebenden Arme des Kreuzes führt. Ihr Zepter ist gebrochen, ihre Krone fällt vom Kopf. Rechts von ihr sind die Ruinen des Salomonischen Tempels zu sehen. Weiter unten steht ein Levite, der ein Lamm als Opfer auf der Bundeslade empfängt. Durch Öffnungen im Erdboden blicken der Teufel und einige Greise aus der Vorhölle heraus.
Das Gemälde ist nach dem tridentinischen Konzil (1545-63) ausgeführt und ein Beispiel gegenreformatorischer Propaganda. Die Botschaft des Bildes könnte sowohl als Warnung wie auch als Kritik am Herzogshof der Este interpretiert werden, der gute Beziehungen zur großen jüdischen Gemeinde Ferraras pflegte.
Wechselvolle Objektgeschichte der Altartafel
Mit der Auflösung des Klosters Santa Caterina Martire Ende des 18. Jahrhunderts begann für die Altartafel eine wechselvolle Geschichte. Zunächst im Besitz von Privatsammlern in Ferrara, Brescia, Bologna und Wien, gelangte das Tafelbild 1885 in die Sammlung des Hamburger Kaufmanns und Konsuls Eduard Friedrich Weber. Seine Nachkommen schenkten das Gemälde 1912 dem Neutestamentlichen Seminar der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität) in Berlin.
Das Bild lagerte während der Kriegsjahre im Berliner Dom. Durch die dort herrschenden ungünstigen klimatischen Bedingungen schrumpfte die Pappelholztafel und bildete Risse. Gleichzeitig kam es zu starken Malschichtlockerungen und erheblichen Verlusten der Malerei. Viele feinteilige Fehlstellen, ältere großflächige Übermalungen, vergilbte Firnisse und Rückstände früherer Festigungen beeinträchtigten die Gesamtwirkung des Kunstwerkes erheblich.
Das Gemälde befindet sich seit 2015 als Dauerleihgabe in der Gemäldegalerie, wo es im Zeitraum von einem Jahr umfassend untersucht und restauriert wurde.
Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Michael Imhof Verlag, Petersberg, 144 Seiten, 137 Abbildungen, ISBN 978-3-7319-1003-9, Buchhandelspreis: 22,95 Euro, erhältlich im Webshop der Staatlichen Museen zu Berlin.
Ein Restaurierungs- und Sonderausstellungsprojekt der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin, gefördert durch die Ernst von Siemens Kunststiftung im Rahmen der Initiative KUNST AUF LAGER
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+49 (30) 266 42 42 42
Eintrittspreis 12,00 €
Gemäldegalerie Malerei vom 13. bis zum 18. Jahrhundert.
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Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr erhalten freien Eintritt.
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