Tauflöffel, 1932
Museum Pankow
Im Sommer 1945 bestand die Belegschaft des Stadtguts Blankenfelde vor allem aus Flüchtlingen. Ein Großteil der Blankenfelder Dorfbevölkerung war in mehreren Trecks westwärts geflohen. Alle freien Stuben im Dorf und auf dem Gut, selbst Stallräume, Scheunen und Schuppen, dienten als provisorische Unterkünfte für "Pollacken", wie die Geflüchteten von den angestammten Blankenfeldern hinter vorgehaltener Hand abwertend genannt wurden. Wer auf dem Gut Arbeit fand, konnte bleiben. Am Dialekt erkannten die Zugezogenen einen Landsmann. Lebenslang blieb die alte Heimat das wichtigste Gesprächsthema, wenn man unter sich war. Nach und nach zogen die im offiziellen Sprachgebrauch "Umsiedler" genannten Neu-Blankenfelder in die Gutswohnungen im Dorf oder bauten sich Unterkünfte in den umliegenden Gartenlaubenkolonien. Erst in der Generation der Nachkriegskinder verloren sich langsam die Vorbehalte der Einheimischen gegenüber den Hinzugekommenen. Mit dem silbernen Tauflöffel, der die Initialen "E S" trägt, verbindet sich die Geschichte eines dieser Geflüchteten.
Erich Schwenzer, geboren 1932, wuchs in Kleinkirschbaum (heute Trzesniów) auf, einem Ort in der Neumark, 40 Kilometer östlich von Frankfurt/Oder. Am 30. Januar 1945 besetzte die Rote Armee den Ort. Mit der Übergabe an die polnischen Besatzungsbehörden musste die Familie Schwenzer Ende Juni 1945 ihre Heimat verlassen und gelangte nach Blankenfelde. Nur wenige Habseligkeiten konnte die Mutter in der gebotenen Eile zusammenpacken, Erichs Tauflöffel war dabei.
Gemeinsam mit dem Verein Stadtgut Blankenfelde e.V. hat das Museum Pankow eine Ausstellung zur Entwicklung des Dorfs Blankenfelde und seiner unmittelbaren Umgebung an der heutigen Stadtgrenze im Norden Berlins erarbeitet. Unter Mitwirkung des Runden Tischs Blankenfelde konnten einige der Lebensgeschichten ehemaliger und heutiger Bewohner des Stadtgutes dokumentiert werden. Sie sind Teil der Dauerausstellung "Rieselfelder, Liegekur, Runkelrüben. Das Stadtgut Blankenfelde im Berliner Norden", und der Tauflöffel ist dort ein besonderer Blickfang.
Ein Beitrag von Bernt Roder.
Bildnachweis: Tauflöffel mit den Initialen "E S", 1932, Silber. Museum Pankow. Foto: Florian Unger