Gildebrief für die Spandauer Bäcker, 1317
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
"Spandau ist die ältere Stadt!" ist nach wie vor eine häufig geäußerte Aussage, wenn es um die Beziehungsbeschreibung des Bezirks Spandau zu Berlin geht. Was wie eine leicht trotzige Abgrenzung wirken könnte, ist in Wirklichkeit (zumindest mittlerweile) eine humorvolle Eingliederung in die Großstadt, die aus dem Einzigartigkeitsanspruch eines jeden Bezirks (und auch eines jeden Kiezes) die identitätsstiftende Berliner Gemeinschaft "großmäuliger Individualisten mit Herz" macht.
Eine im 15. Jahrhundert entstandene Abschrift einer Urkunde ist ein wichtiger Beleg für die Richtigkeit der Aussage: Am 7. März 1232 übertrugen die Markgrafen Johann I. und Otto III. "vnser Stad Spandow" Privilegien wie den Bau eines zollfreien Kanals und die Erhebung zum Rechtsvorort für die Städte Teltow, Glin und Barnim. Damit wird Spandau zwölf Jahre früher urkundlich als Stadt erwähnt als Berlin.
In der Spandauer Sammlung mittelalterlicher Schriften, die für ein Regionalmuseum recht besonders ist, befinden sich weitere historisch wertvolle und interessante Dokumente. Bemerkenswert ist etwa der Gilde- bzw. Zunftbrief für die Spandauer Bäcker vom 30. November 1317, dessen schweres Wachssiegel ein wahrer Blickfang ist. Eine Urkunde dieses Alters bringt die in einer Ausstellung gern genutzte "Aura des Originals" mit sich, die eine "langweilige Archivalie" zu einem besucherfreundlichen Anschauungsgegenstand werden lässt. Und auch der Inhalt der Urkunde, die den Spandauer Bäckern eine Gemeinschaft mit eigenen Regelungen erlaubte, regt zum Nachdenken an, konfrontiert er doch die mittelalterliche Gedankenwelt zum menschlichen Miteinander in einer Stadtgemeinschaft mit der heutigen Wahrnehmung: So verlangten die Spandauer Ratsherren von ihren Bäckern einen wirtschaftlich und sozial angemessenen Umgang mit ortsfremden Brotverkäufern beim Wochenmarkt sowie eine gewisse Flexibilität in Notzeiten. Neben der Freude an Formulierungen wie "es möge bekannt sein den gegenwärtigen und zukünftigen Menschen, daß die Bäcker unserer Stadt Spandow im Jahre seit der Fleischwerdung des Herrn 1317 am Tage Andreae vor uns erschienen sind" bieten unsere stadtgeschichtlichen Dokumente vielerlei Anstöße, sich über den zivilisatorischen Fortschritt der Stadtgemeinden über die Jahrhunderte Gedanken zu machen.
Ein Beitrag von Urte Evert.
Bildnachweis: Gildebrief für die Spandauer Bäcker vom 30. November 1317. Archiv des Stadtgeschtlichen Museums Spandau. Foto: Friedhelm Hoffmann