EMOP
European Month of Photography
Bilder, zumal fotografische, zeigen, wie wir gelebt haben und leben. Das größte, alle zwei Jahre stattfindende Festival für Fotografie in Deutschland EMOP feiert 2023 seine zehnte Ausgabe. Unter dem Leitmotiv »Touch« bildet ein umfangreiches Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm nationale wie internationale Entwicklungen der historischen und zeitgenössischen Fotografie ab. Das Festival ist auch Ausdruck der Heterogenität und Diversität der Stadt. Lokale Netzwerke erhalten unter dem gemeinsamen Dach für einen Monat verstärkte Sichtbarkeit. Mit rund hundert Ausstellungen in allen Berliner Stadtbezirken legt sich ein Netz fotografischer Fixpunkte über die Stadt, das in große Museen, kommunale und private Galerien, Kulturinstitute und Botschaften, aber auch in Ausbildungsstätten und viele Off-Spaces führt. Hier einige Empfehlungen aus dem aktuellen Museumsjournal (Ausgabe 1/2023) an Orten, die mehrheitlich nicht auf dem Museumsportal vertreten sind.
Alte Münze
Berührungen im Jetzt
Die Ausstellung versammelt Fotografinnen des Female Photoclub Berlin, die sich auf eigene Weise mit dem Jetzt auseinandersetzen. Dabei reicht die Bandbreite an Themen von der Kampfkunst Jiu-Jitsu über das selbst gewählte Leben von Aussteigern bis hin zur persönlichen Aufarbeitung einer Krankheit. Berührung ist dabei ständig präsent – der intensive Körperkontakt beim Sport, aber auch das Nicht-Loslassen-Können von Ereignissen und Gegebenheiten, die ein Leben prägen. »Look At Me Now« setzt einen Gegenpol zu einer sich rasend schnell verändernden Welt, geht einen Schritt zurück, ermöglicht ein kurzes Innehalten und Durchatmen. Die sehr persönlichen Momentaufnahmen lassen auch das breite Spektrum der Berliner Gruppe erkennen.
»Look At Me Now. Eine Ausstellung des Female Photoclub Berlin«
7. bis 26. März 2023, Molkenmarkt 2, 10179 Berlin
Anahita Contemporary
Alltag im Iran
Jenseits von Stereotypen gibt Hashem Shakeri tiefe Einblicke in den Alltag der iranischen Gesellschaft, in der Kontakt und Austausch stets mit humanistischen Fragen einhergehen – Fragen, die sich seit der Pandemie auch auf europäische Gesellschaften übertragen lassen. Wie erscheinen der Körper, Körperlichkeit und Nähe als conditio humana? Welche Rolle spielt die staatliche Regulierung, auch angesichts der feministischen Proteste in Iran 2022? Wie können Beziehungen unter den Bedingungen des Exils in Europa oder unter solchen der Coronapandemie aufrechterhalten werden? Welchen Einfluss hat der Mensch auf die Natur und wie wirken sich bedrohliche Klimaveränderungen auf den Alltag in Iran aus? Shakeris fotografische Arbeiten decken ein breites visuelles Spektrum ab, sind poetisch, abstrakt und dokumentarisch. Sie verwickeln die Betrachter in ein subtiles Spiel von Nähe und Distanz, Identifikation und Differenz.
»Cast out of Heaven«
2. März bis 1. April 2023, Schlüterstraße 16, 10625 Berlin
Atelier Gardens
Fotografiska Days
Fotografiska Berlin, das Museum für moderne Fotografie, wird in der zweiten Jahreshälfte 2023 in Berlin-Mitte in der Oranienburger Str. 54 im ehemaligen Tacheles seine Tore öffnen und freie Räume für lokale Organisationen und Gemeinschaften bereitstellen. Neben Ausstellungsflächen über vier Etagen verteilen sich dann auf knapp 5.500 Quadratmetern Restaurant, Veranstaltungsraum, Bistro, Bäckerei, Lounge und eine Rooftop Bar. Die mit 90er-Jahre-Graffitis übersäten Innenwände bleiben erhalten. In Vorbereitung soll ein dreitägiges Programm zum Thema “Rereading the Relationship Between Fashion and Art Practices” schon mal die verschiedenen kreativen Szenen der Stadt miteinander verbinden. Zum Abschluss steigt am 25. März eine Party, zu der The Fabric Ball, ein Ballroom-Showcase von So Extra Berlin, die lokale und internationale Ballroom-Community vereint. Anschließend legen internationale DJs auf, darunter Bambii, die Rave-Princess River Moon und Betlehem Mulat alias Venetta.
Fotografiska Days und EMOP-Party
23. bis 25. März 2023, Oberlandstraße 26-35, 12099 Berlin
Artco Galerie
In Krisengebieten
Talibankämpfer, die trotz ihres Siegs misstrauisch, wütend und orientierungslos wirken – verletzlich und gerade deswegen gefährlich. Ein ukrainischer Soldat, in dessen leerem Blick die ganze Unfassbarkeit des Krieges liegt. Die Fotografin Johanna-Maria Fritz war im Frühjahr 2022 eine der ersten ausländischen Fotojournalisten in dem überfallenen Land und fotografierte unter anderem in Butscha, Charkiw und dem Donbass. Die Aufnahmen beweisen, dass sich Dokumentation und Ästhetik nicht ausschließen und dass Schönheit das Schreckliche akzentuiert.
»Jenseits der Grenzen«
2. März bis 15. April 2023, Frobenstraße 1, 10783 Berlin
Museum für Kommunikation
Wie umgehen mit dem Krieg?
Seit dem 24. Februar 2022 leben Ukrainer*innen in einer anderen Welt. Sie haben jeweils ihre eigene Geschichte im Umgang mit der russischen Aggression. Diese ist eingebettet in das gemeinsame Bild eines kollektiven Traumas. Solange sich das Land im Kriegszustand befindet, ist es wichtig, zu beobachten und zu lernen, was in der Ukraine geschieht. Die Ausstellung »The Art of Coping with War« präsentiert persönliche Reaktionen von fünf Fotograf*innen auf den Krieg. Sie bearbeiteten die traumatischen Erfahrungen auf jeweils ganz eigene Art und Weise, um daraus Kunstwerke zu formen. So entsteht ein Bild des Krieges, das im Kontrast zur Darstellung in den Massenmedien eine viel nuanciertere emotionale Bandbreite transportiert. Es sind Beobachtungen des Krieges von innen.
»The Art of Coping with War«
2. März bis 2. April 2023, Leipziger Str. 16, 10117 Berlin
f3 – Freiraum für Fotografie
Der Fotograf als Zeuge
Wie kaum ein anderer hat Thomas Höpker den Bildjournalismus in Deutschland geprägt. Seine Fotoreportagen führten ihn durch die ganze Welt. Als Reporter arbeitete er für die »Münchner Illustrierte«, später für die Zeitschriften »Kristall« und »Stern«. Seine Aufgabe sah Höpker schon zu Beginn seiner Karriere darin, »im engen Kontakt mit der Zeit zu leben, das Gegenwärtige zu ergründen und zu enträtseln«. 1979 zog er nach New York und wurde 1989 als erster deutscher Fotograf Vollmitglied der Agentur Magnum Photos. Aus der Fülle von Höpkers Lebenswerks zeigt die Ausstellung international bekannte sowie nie gezeigte Aufnahmen. Die Zusammenschau vermittelt sein Interesse an gesellschaftlichen Themen und die Empathie für die von ihm porträtierten Menschen. Authentizität und fotografische Zeugenschaft sind die prägenden Konstanten seiner Arbeit. Unaufgeregt, subtil und fern von Sensationslust wurden viele seiner Motive durch ihre präzise Bildgestaltung und die dichten Bildaussagen zu Ikonen der sozialdokumentarischen Fotografie, der Concerned Photography.
»Thomas Höpker. Intimate History«
24. Februar bis 7. Mai 2023, Waldemarstraße 17, 10179 Berlin
Galerie Pankow
Feministische Selbstdarstellung
Seit Ende der 1970er-Jahre führt die Künstlerin Gabriele Stötzer unablässig ihre künstlerischen Selbsterkundungen fort, selbst wenn sie sich dabei immer wieder gegen kulturelle, gesellschaftliche sowie politische Widerstände behaupten muss. Ob mithilfe von Fotografie, Malerei, Zeichnung, Keramik oder Textilkunst, Performances, Filmen, Texten oder Modeobjekten – Stötzers Arbeiten richteten sich nicht nur gegen die DDR-Politik, die jede Form der Individualität unterbinden wollte, sondern ebenso gegen heteronormative Rollenbilder und andere gesellschaftliche Normen. Im Fokus steht dabei stets der weibliche Körper, der provozierend und herausfordernd ein subversives Gegenbild zu staatlichen und gesellschaftlichen Vorgaben entwirft, abseits von Vorstellungen des Maskulinen. Die Ausstellung zeigt Stötzers fotografische Selbst- und Körperdarstellungen und die dazugehörigen Manuskripte aus den Jahren 1981 bis 1984.
»Gabriele Stötzer – Körpergesten und leibliche Zeichen. Fotografien«
1. Februar bis 16. April 2023, Breite Straße 8, 13187 Berlin
KulturMarktHalle
Leidenschaftliche Liebe
Der Deutsche Jugendfotopreis (DJF) zählt zu den traditionsreichsten Fotowettbewerben in der Bundesrepublik. Seit 1963 gilt er als ein Experimentierfeld für junge Fotografen. Die Jubiläumsausstellung bringt sechzig Jahre Jugendkultur zum Ausdruck: leidenschaftliche Auseinandersetzungen mit der Liebe, brennende Fragen zur eigenen Person und zum Gegenüber, wütendes Engagement, ekstatische Gefühle zu Musik, fragende Blicke auf andere – Erkundungen zu Diversität, Gender Fluidity, Familie, Politik und Gesellschaft. Mitbegründer des Wettbewerbs Leo Fritz Gruber fasst es zu seinem Fotofilm »Wir zwei« von 1966, der ebenfalls gezeigt wird, so zusammen: »Das Nebeneinander, Zueinander, Miteinander der beiden Geschlechter beschäftigte viele Einsender. Es war das Zentralthema, das sie bewegte. Und sie zeigten es ohne Scheu in vielen Variationen.« Der Wettbewerb wird im Auftrag des Bundesjugendministeriums vom Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum durchgeführt.
»We_Love. 60 Jahre Deutscher Jugendfotopreis«
2. bis 31. März 2023, Hanns-Eisler-Straße 93, 10409 Berlin
Ladenlokale Leipziger Straße
Die Stimme der jungen Generation
Die Gemeinschaftsausstellung der Berliner Schulen und Ausbildungsstätten im Bereich angewandter und künstlerischer Fotografie reflektiert die derzeitigen massiven gesellschaftlichen und sozialen Umbrüche und Herausforderungen. Die Schau, die in dieser Form erstmals in das Festivalprogramm aufgenommen wurde, gibt jüngeren Fotografinnen und Fotografen eine Stimme und einen Ort. Denn gerade die jüngere Generation ist in besonderer Weise von den existenziellen Krisen unserer Zeit betroffen, vom Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und den weitreichenden Folgen über die sich verschärfende Klimakrise und die anhaltende Pandemie bis hin zum Wiedererstarken (rechts-)nationaler und identitärer Bewegungen. Zugleich wird auf die vielfältigen Möglichkeiten im Bereich der Fotografieausbildung in Berlin aufmerksam gemacht, und die exzellente Arbeit der privaten und öffentlichen Berliner Bildungsinstitutionen erfährt eine Würdigung.
EMOP Special: »Drängende Gegenwart«
5. bis 31. März 2023, Leipziger Straße 54
Meinblau Projektraum
Plattenbau revisited
Die Künstlerinnen Marthe Howitz und Wenke Seemann untersuchen das Phänomen Plattenbau und setzen sich auf ganz unterschiedliche Weise mit Herkunft und Prägung auseinander: Sie betrachten die ostdeutschen Plattenbauviertel als Gebrauchsarchitektur in der Tradition der Moderne und als städtebauliches Erbe eines untergegangenen Landes und zugleich als Projektionsfläche für gesellschaftliche Aufbruch- und Abstiegserzählungen sowie biografischen Erfahrungsraum. Die Ausstellung verbindet Fotomontagen, Collagen und Videoarbeiten aus Seemanns Werkserie »Archivdialoge #1 – Bauplan Zukunft« mit Horwitz’ Keramik-Arbeit »Aufbau Ost«, einer 200-teiligen modularen Skulptur eines typischen WBS70-Wohnblocks. In Kombination erzeugen die Arbeiten einen Raum, der eine neue Perspektive auf die Transformation der ostdeutschen Musterstadt ermöglicht und bestehende Kontinuitäten, Ambivalenzen und Widersprüche ästhetisch verhandelt.
»Musterstadt Ost. Eine Neubetrachtung«
10. bis 19. März 2023, Christinenstraße 18–19, 10119 Berlin
Raum für drastische Maßnahmen
Schule als Hort sozialer Ungleichheit
Über drei Jahre – auch während der Schulschließungen im Lockdown der Coronapandemie – begleitete Susanne Keichel Schüler einer Oberschule mit ihrer Kamera. In Stillleben, Fragmenten und indirekten Porträts beobachtete sie deren Verhalten in der Schule. Ausgangspunkt der Arbeit ist Keichels Biografie sowie die Beobachtungen und Erfahrungen, die sie während ihrer dreijährigen Arbeit an einer Oberschule machte. Sie bekam dabei einen Einblick in das deutsche Bildungssystem, das soziale Ungleichheit reproduziert. Keichel nähert sich dem Thema der sozialen Gerechtigkeit über Schule, Herkunft und Arbeit, die eine Umlaufbahn bilden, die man nur schwer verlassen kann: Die Herkunft bestimmt die Bildung und damit später auch die Jobs.
»Schule. Susanne Keichel«
4. bis 31. März 2023, Oderstraße 34, 10247 Berlin
Villa Heike
Fotografie als Objekt
Der chinesische Fotokünstler Cai Dongdong hat in den letzten Jahren mit eigenwilligen Arbeiten auf sich aufmerksam gemacht: Er befragt eigene und angeeignete Fotografien nach ihrem Aussagegehalt und versucht, diesen zu unterlaufen oder zu erweitern. Dafür bedient er sich Strategien wie der partiellen Bearbeitung der Bildoberfläche, der Faltung, der Collage oder der Assemblage. Er betont so die Objekthaftigkeit fotografischer Prints und verdeutlicht, welches Potenzial zur Bedeutungsumformung diesen als Material innewohnt. Da die Mehrzahl der angeeigneten Motive aus der Zeit zwischen 1950 und dem Ende der Kulturrevolution 1976 in China stammt, gibt »Obstacles« auch einen tieferen Einblick in die Haltung des Künstlers zur Geschichte seines Landes im späteren 20. Jahrhundert.
»Obstacles. Cai Dongdong«
1. März bis 2. April 2023, Freienwalder Straße 17, 13055 Berlin