Museum 4.0
Wie die Museen heute schon das Morgen denken
Wie kuratiert man eine virtuelle Tour? Wie kommt das Museum ins Klassenszimmer? Wie betreuungsintensiv sind Virtual-Reality-Stationen? Welche Herausforderungen und Kosten bringt die 3D-Digitalisierung von technischen Exponaten mit sich? Diese und weitere Fragen eruierten 50 Besucher in Workshops, Impulsvorträgen und Live-Vorführungen auf der Fachkonferenz »museum4punkt0« im Mai 2023 im Berliner Kulturforum. Beteiligt waren Kunst-, Archäologie-, Heimat-, Technik-, Naturkunde- und Geschichtsmuseen aus ganz Deutschland. Die große Bandbreite technischer Ansätze von der Online-Präsentation großer Objektbestände über Augmented-Reality- und Virtual-Reality-Anwendungen bis hin zum 3D-Druck wurde präsentiert. Im Vordergund stand die Frage, wo echter Mehrwert für das Publikum zu erwarten wäre. In der Nachfolge der Konferenz ist entscheidend, das Netzwerk zu bewahren und auszubauen und vielversprechende Formate zu verstetigen. Vom Sinn und Nutzen neuer Vermittlungsformate konnte man sich anhand vieler praktischer Beispiele überzeugen, folgende Auswahl stellte das Museumsjournal in seiner Ausgabe 3/2023 vor:
Museum für Hamburgische Geschichte
Auf der Spur der verschwundenen Stadt
Wie lässt sich das Besondere des Museumsgebäudes von 1922 spannend und informativ vermitteln? Was erzählen die historischen Architekturfragmente am Museum von einer längst verschwundenen Stadt? Sie stammen von zerstörten Häusern und wurden als sogenannte Spolien in die Fassaden des Museums eingebaut. Mit der im Projekt entwickelten App erleben die Nutzer durch 3D- und Augmented-Reality-Technologie die Fragmente auf eindrucksvolle Weise. Die App verbindet Stadt und Museum und verknüpft hundert Spolien mit historischen Abbildungen von vierzig Gebäuden. Eine Stadtkarte zeigt die ursprünglichen Standorte der verschwundenen Architektur und lädt zu einem Rundgang ein. Zudem wird ein spielerischer Zugang angeboten: In einer Mystery Quest müssen verschiedene Rätsel gelöst werden, um einem Geheimnis der Vergangenheit auf die Spur zu kommen.
Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Digitale Lebenswege
Wie lassen sich historische und emotionale Aspekte von Migration digital vermitteln? Das Deutsche Auswandererhaus hat nach einem Virtual Reality-Ausstellungsexperiment ein Biografien-Portal entwickelt, in dem Nutzer Sammlungsstücke und Historie digital miteinander verknüpfen und sich mit ihrer eigenen Lebensgeschichte einbringen können. In einem weiteren Projekt wird beim Museumsbesuch an fünf Stationen zum kritischen Hinterfragen der subjektiven Sichtweisen eingeladen. Weiterhin entsteht eine partizipative »junge digitale Sammlung«: Die Web-Plattform, die gemeinsam mit Schülern generiert und kuratiert wird, dokumentiert Aspekte von Identität und gesellschaftlicher Vielfalt in einer von Digitalisierung und Diversität geprägten Migrationsgesellschaft.
Archäologisches Museum Brandenburg
Brandenburgs Geschichte entdecken
Mit dem »Archäoskop« ermöglicht das Archäologische Landesmuseum Brandenburg eine beeindruckende multimediale Zeitreise durch die Natur- und Kulturgeschichte des Landes – von der Steinzeit bis zur Industrialisierung. Die immersive Installation nutzt Mapping-Beamer, Audio-Surround-Sound und großformatige Projektionsoberflächen, um durch morphende Foto-, Video- und Toncollagen für die verschiedenen Epochen beispielhafte Natur- und Kulturlandschaftssequenzen darzustellen. Die Anwesenheit von Menschen wird indirekt durch Geräusche und Schattenwürfe angedeutet. Das Projekt bietet einen barrierearmen, niederschwelligen Vermittlungsansatz für verschiedene Zielgruppen und ist langfristig angelegt. Erfahrungen werden geteilt, und die Grundidee ist auf andere Themen und Regionen Deutschlands übertragbar.
Staatliche Museen zu Berlin
Kulturelle Kompetenz online erfahren
Erforschen, vertiefen, begleiten: Ein wichtiger Schwerpunkt des museum4punkt0-Teilprojekts der Staatlichen Museen zu Berlin war der Ausbau der Online-Sammlungen als Multiexperience-Plattform. Das Ziel: Einem breiten, diversen Publikum eine individuelle Auseinandersetzung mit den Museumsobjekten und -inhalten zu ermöglichen. Bei der Konzeption der drei Module Recherche, Themen und Touren war die Beteiligung der Nutzer ein zentraler Anspruch. Als wichtiger Bestandteil zeitgemäßer Museumsarbeit zieht sie sich wie ein roter Faden durch das gesamte Projekt. Das neue, inklusiv gedachte digitale Schaufenster in den Kosmos der 19 Sammlungen und Institute ermöglicht die Konzeption und Veröffentlichung vielfältiger digitaler Angebote, die das Museumserlebnis ergänzen und vertiefen sollen.
Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz / Naturhistorisches Museum Mainz
Verstehen und bewahren
Die biologische Vielfalt im Wald und in den Sammlungen entdecken: Im Tandem haben das Naturhistorische Museum Mainz und das Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz mit den Gestaltern von Hapto eine interaktive Vermittlungsstation entwickelt: 33 in Kunstharz gegossene Proben (Insekt, Feder oder Blatt) verschiedener Waldlebewesen lassen sich mithilfe von RFID-Technologie auslesen und am Touchscreen anhand hochaufgelöster Bilder untersuchen. Sie können digital mit dem Sammlungsmaterial verglichen werden, sodass unterschiedliche biologische Merkmale ersichtlich werden. Vermeintlich gleiche Organismen entpuppen sich daher beim genaueren Betrachten als ähnliche, aber unterscheidbare Arten. Informationen zu den verschiedenen Arten und den Artenzahlen heimischer Organismengruppen vertiefen das Verständnis. Zudem wird vermittelt, wie Lebewesen in biologischen Sammlungen aufbewahrt und geordnet sind. So werden die Besucher motiviert, beim nächsten Waldbesuch ganz genau hinzuschauen. Noch tiefer ins Leben am Waldboden kann man mit der VR-Anwendung eintauchen, die das Senckenberg Museum entwickelt hat. Dafür schrumpft man auf die Größe einer Assel und kann dann das große Krabbeln Auge in Auge betrachten. Einige Lebewesen lassen sich sogar hochnehmen und von allen Seiten studieren.