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Gute Laune und Genuss

Wer ist dieser fröhliche Mann, der uns über seine Schulter blickend verschmitzt mustert und uns mit seinem gefüllten Weinglas genüsslich zuzuprosten scheint? Um den Neuzugang der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin ergründen zu können, müssen wir detektivischen Spürsinn entwickeln. Damit ging auch die tschechische Kunsthistorikerin Eliška Fučíková vor, die dieses erst vor einigen Jahren wiederentdeckte Bildnis nach vielen Recherchen und Untersuchungen schließlich Hans von Aachen (1552–1615) zuschreiben konnte.

Hans von Aachen, Selbstbildnis, um 1595. Öl auf Leinwand, 50,5 x 40,5 cm. Gemäldegalerie. © Gemäldegalerie SMB. Foto: Christoph Schmidt

Wir sehen einen Mann mittleren Alters, dessen Mund leicht geöffnet ist und dessen braune Augen fröhlich strahlen. Eine Locke des braunen Haars fällt dem Zecher auf die hohe Stirn. Lippen, Nase und Wangen sind leicht gerötet und korrespondieren mit den Rottönen des Weins und der Jacke. Der Porträtierte trägt einen Schnauzbart, und sein vorgestrecktes, spitzes Kinn wird von einem kurzen Bart geziert. Es ist nur ein einziger Gegenstand zu sehen, den wir als Attribut bezeichnen können und der uns hilft, das Bildnis ikonografisch einzuordnen: das Weinglas. Es handelt sich hierbei um ein recht großes Kelchglas, das glattwandig und unverziert ist, in seiner Art also eher volkstümlich und einfach erscheint. Dem aufmerksamen Betrachter fällt der asymmetrische Fuß des Glases ins Auge. Kleine Lichtreflexe auf dem Glas suggerieren eine Lichtquelle, doch der Betrachter kann im Bild kein Fenster oder gar einen Raum ausmachen. Vergleicht man das lachende Antlitz mit anderen Werken des Künstlers, lässt sich die Figur unschwer identifizieren: Hans von Aachen hat sich hier selbst porträtiert. Die Physiognomie des Malers findet sich nicht nur in seinen Selbstporträts. Auch in Gemälden zu anderen Themen setzt er sich über seine komplette Schaffenszeit immer wieder selbst in Szene. Hans von Aachen kam in seinem Leben weit herum. Nach einer Ausbildung in Köln lernte er im Umkreis von Frans Floris in Antwerpen. Einige Jahre später, um 1574, zog er nach Italien, verbrachte zunächst einige Zeit in Venedig, ging dann nach Rom und später nach Florenz. Er lernte sowohl die Ausprägungen der niederländischen als auch der italienische Kunst des Barock kennen. Sein dementsprechend vielseitig geschultes Talent erregte die Aufmerksamkeit potenzieller Auftraggeber. So arbeitete Hans von Aachen in der Folge unter anderem für den großherzoglichen Hof der Medici, für den Herzog von Bayern und für die Fugger in Augsburg. Die Vielzahl der Aufträge erforderte eine große Werkstatt mit Schülern und Assistenten. 1592 erreichte Hans von Aachen seinen beruflichen Höhepunkt, als er zum Hofmaler Kaiser Rudolfs II. ernannt wurde und 1596 schließlich nach Prag zog.

Der Kaiser war ein engagierter Förderer der Künste und Wissenschaften: Zahlreiche Künstler, Mathematiker und Astrologen hielten sich an seinem Hof auf und ließen Prag zu einem kulturellen Zentrum werden. Mit altmeisterlichen und manieristischen Gemälden, Werken der Steinschneidekunst, Kostbarkeiten des Goldschmiedehandwerks und vielen anderen Raritäten war die rudolfinische Kunstsammlung um 1600 die größte ihrer Art. Hans von Aachen war häufig im Auftrag des Prager Hofs auf Reisen, unter anderem, um die kaiserliche Sammlung durch Ankäufe zu erweitern. Es ist leicht nachvollziehbar, dass Hans von Aachen im Umfeld des kosmopolitischen kaiserlichen Hofs seinen durchweg europäischen Malstil, der sich nicht auf eine einzelne Schule beschränkte, in mythologischen Themen und auch Porträts konsequent weiterentwickeln konnte.

Auf dem neu erworbenen Gemälde repräsentiert sich Hans von Aachen nicht als Künstler oder Hofmaler: Die Art der Darstellung des Ich weicht beispielsweise deutlich von dem bekannten Selbstporträt in Köln ab, das vermutlich kurz nach 1575 entstand. Während er sich im Kölner Werk ernsthaft, in klassischer Dreiviertansicht und mit elegantem Spitzenkragen zeigt, steht in dieser Variante ein fröhlicher, aber durchaus unauffälliger Mann mit knittrigem Kragen im Mittelpunkt. Die Motive des Wein und des lachenden Trinkers finden sich hingegen auch in einem anderen Selbstbildnis Hans von Aachens. Das »Selbstporträt mit Donna venusta« (zwischen 1580 und 1585 entstanden), das sich in einer italienischen Privatsammlung befindet, zeigt eine junge Frau mit Laute. Hinter ihr erscheint der lachende Künstler, der ein Glas Wein in der erhobenen Hand hält. Für dieses Gemälde und auch für das Berliner Selbstporträt kann man ohne Zweifel behaupten, dass der Wein als Allegorie des Genusses und der Lebensfreude schlechthin fungiert.

Andererseits verweist das trinkselige Porträt in Berlin auch auf eine andere Bildtradition, die Heiterkeit und Frohsinn mit der Philosophiegeschichte verbindet: Hans von Aachens Selbstdarstellung entspricht dem Topos des »lachenden Demokrit« (democritus ridens). Nach Berichten seiner Zeitgenossen lachte der griechische Philosoph gerne, das Bild entspringt aber natürlich vor allem seiner philosophischen Lehre. Demokrit vertrat die Auffassung, dass die Seele durch das Betrachten des Wesens der Dinge eine heitere, gelöste Stimmung erreichen könne, die sogenannte Wohlgemutheit (Euthymia). In der bildenden Kunst setzte sich die Bezeichnung »democritus ridens« für Darstellungen eines fröhlichen, meist älteren Mannes durch. In der Zeit um 1595, als dieses kleinformatige Leinwandbild entstand, hatte Hans von Aachen ganz sicher allen Grund, frohen Mutes zu sein, stand er doch kurz vor seiner Abreise an den kaiserlichen Hof auf der Prager Burg. Malstil und Lebensalter des Dargestellten sprechen im Vergleich mit anderen Werken des Künstlers für die Entstehung in dieser Zeit in Augsburg.

Im Jahr 2010 erwarb der Arzt Dietmar Peikert in einem Antiquitätenhandel bei Rostock das Gemälde von unbekannter Hand. Der Porträtierte kam ihm möglicherweise bekannt vor. Nachdem der Sammler das Gemälde einigen Experten gezeigt hatte, konnte es 2012 unter der neuen Zuschreibung an Hans von Aachen in einer Sonderausstellung auf der Prager Burg präsentiert werden. Seit 2013 befindet sich das Leinwandbild in der Gemäldegalerie und wurde 2017 als Schenkung in die Sammlung aufgenommen. Hans von Aachen begrüßt fortan die Besucher der Gemäldegalerie gut gelaunt, mit erhobenem Glas in der Dauerausstellung und plädiert für eine genussvolle, heiter-gelöste Stimmung.

Katharina Weick-Joch

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Gemäldegalerie SMB. Dieser Artikel erschien im MuseumsJournal 2/2018.

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