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Die Rückkehr des Kriegers

Ein seltener Glücksfall widerfuhr der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin im Februar dieses Jahres: Nach über 70 Jahren kehrte eine verschollene etruskische Bronzestatuette wieder in die Mauern des Alten Museums auf der Museumsinsel zurück. Was sich auf den ersten Blick vielleicht wie ein Tropfen auf den heißen Stein ausnimmt – die Zahl der Kriegsverluste der Antikensammlung reicht in die Tausende –, kommt bei näherer Betrachtung doch einer kleinen Sensation gleich.

Etruskisch-italische Bronzestatuette eines Kriegers, um 500 v. Chr. Bronze, Höhe: 17,7 cm. Antikensammlung SMB. Foto: Johannes Laurentius

Die 17,7 cm hohe Statuette aus massiv gegossener Bronze, entstanden in Mittelitalien um 500 v. Chr., gelangte 1869 über den Nachlass des ersten »Archäolog(en) des Königlichen Museums« Eduard Gerhard in die Sammlung. Seit 1945 war sie spurlos verschwunden. Bergungs- und Verlagerungslisten aus dem Zweiten Weltkrieg in den Archiven der Staatlichen Museen zu Berlin lieferten keine sicheren Anhaltspunkte für den Zeitpunkt und den Zielort ihrer Evakuierung. Unter den zahlreichen »kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern«, die seit 2005 nach und nach in russischen Museen wieder aufgetaucht sind, befand sich die Statuette ebenfalls nicht.

Da erreichte im Mai 2016 völlig unerwartet eine Nachricht die Mitarbeiter der Sammlung, dass bei dem Londoner Kunsthändler Oliver Forge (Oliver Forge & Brendan Lynch Ltd.) eine Statuette zum Verkauf angeboten werde, die dem verschollenen Berliner Exemplar bis in kleinste Details gleiche. Archäologen des British Museum sowie ein früherer Mitarbeiter dieses Hauses waren von Oliver Forge um ihre Einschätzung gebeten worden, kamen anhand älterer Publikationen der Provenienz auf die Spur und informierten ihre Berliner Kollegen. Sehr schnell konnte ausgeschlossen werden, dass es sich um eine neuzeitliche Kopie handelte, also um einen Bronzenachguss oder kolorierten Gipsabguss. Details in der Oberflächenbeschaffenheit sowie der Erhaltung schlossen auch die Möglichkeit eines antiken Parallelstücks aus. Es musste sich bei der Londoner Bronze also zweifelsfrei um das in Berlin seit 1945 vermisste Stück handeln.

Was zwischen Herbst 1939, dem Zeitpunkt der Schließung der Berliner Museen und dem Beginn der Evakuierung ihrer Kunstschätze, und 2016 passiert ist, wird sich wohl nicht mehr lückenlos aufklären lassen. Es steht zu vermuten, dass die Statuette an ihrem Bergungsort – am ehesten kommen hierfür einer der beiden Flakbunker am Zoologischen Garten und Friedrichshain oder die Reichsmünze am Molkenmarkt infrage – noch während des Kriegs oder in den Wirren nach der Kapitulation im Mai 1945 gestohlen worden ist. Ein in England wohnhafter amerikanischer Kunstsammler erwarb sie vor 1979, in seinem Besitz verblieb sie bis zu seinem Tod im Jahr 2011. Zwischen 2014 und 2015 wurde sein Nachlass versteigert und verkauft; der Käufer der Statuette reichte sie in der Folge bei Oliver Forge ein. Dann passierte das, was in der Welt des Handels mit antiker Kunst alles andere als selbstverständlich ist: Nicht nur wurden Archäologen namhafter Institutionen um Stellungnahmen zur möglichen Provenienz gebeten, sondern Forge zeigte sich nach Bekanntwerden der Hintergründe sehr schnell offen für das Anliegen, die Statuette den Staatlichen Museen zu Berlin zurückzugeben. Hiervon konnte er auch den letzten Besitzer überzeugen. Unabhängig von einer juristischen Klärung, ob nach so langer Zeit und angesichts einer nicht lückenlosen Dokumentationslage eine Rückgabe einklagbar gewesen wäre, einigten sich beide Seiten rasch und unbürokratisch auf eine Restitution unter Zahlung einer moderaten Aufwandsentschädigung – ein herausragender Fall konstruktiver Kooperation zwischen öffentlichen Kultureinrichtungen, Kunsthandel und privaten Sammlern. Vergleichbare Fälle können in der jüngeren Geschichte der Antikensammlung an einer Hand abgezählt werden.

Mit dieser Bronze ist nicht nur eines von mehreren Tausend verschollenen Objekten in die Antikensammlung zurückgekehrt, sondern auch ein Zeugnis einer interessanten und äußerst eigenwilligen kunsthandwerklichen Produktion, die in ihrem hohen Abstraktionsgrad beinahe schon modern anmutet. Dargestellt ist ein ausschreitender Krieger mit Helm, Brustpanzer, Tunika und Beinschienen. Der Genitalbereich, die Oberschenkel und die Füße sind nackt. In der erhobenen Rechten hielt er einen nicht mehr erhaltenen Speer, in der gesenkten Linken einen ebenfalls verlorenen Schild. Die anatomischen Details sowie die Verzierungen des Brustpanzers sind in höchstem Maße starr und simplifiziert, die Gesichtszüge regelrecht grob. Für das Erscheinungsbild charakteristisch ist der äußerst flache und schmale Oberkörper, Tiefenvolumen erreicht die Statuette nur an wenigen Stellen wie dem Gesäß und den Beinen. Das martialische Aussehen der Figur wird massiv verstärkt durch den Helm mit seinem hohen und weit hinter den Rücken ausladenden Busch und den zur Seite geschlagenen Wangenklappen.

Solche Statuetten wurden in Mittelitalien in der spät- und nacharchaischen Zeit (6. und 5. Jahrhundert v. Chr.) produziert, in verschiedenen Gegenden Inneretruriens und in benachbarten Regionen (Marken, Umbrien, Abruzzen, Kampanien). Sie dienten als Weihegaben an die Götter, in diesem Fall vermutlich für Laran, das etruskische Pendant des römischen Kriegsgotts Mars. Der Stifter der Statuette wollte sich durch diese Gabe des Beistands der Götter versichern oder für etwas danken.

Der »Heimkehrer« wird in der ständigen Ausstellung der Antikensammlung im Obergeschoss des Alten Museums gezeigt, im Kontext der etruskischen Votivbronzen.

Martin Maischberger

Dr. Martin Maischberger ist stellvertretender Direktor der Antikensammlung. Der Artikel erschien im MuseumsJournal 3/2017.
Der Gesamtbestand aller griechischen, etruskischen und römischen Bronzen der Antikensammlung inklusive der Verluste ist online zu finden unter smb.museum/antikebronzenberlin.

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